Mutter und Karriere: (Wie) geht Job und Kind?
Weil ich oft danach gefragt werde, kommt hier ein kleiner Einblick, wie ich persönlich Kinder und Karriere kombiniere.
Disclaimer: Wie jeder Rat, ist dieser hier auch äußerst persönlich, ohne jegliche Ansprüche an Vollständigkeit, da er lediglich eine Inspiration für dich und dein eigenes Leben darstellen soll.
Gwen Stefanie, 90ies Ikone und Postergirl meiner Jugend erklärte jüngst in der NYLON, dass sie es bereue, als junge Mutter weiterhin so viel Zeit und Kraft in ihre Band NO DOUBT gesteckt zu haben, der Druck zu reüssieren wäre einfach zu hoch: Wenn kein Song rauskam, plagte sie ein schlechtes Gewissen, die Zeit mit der Band wäre Verschwendung und sinnvoller mit den Kinder verbracht gewesen. Damit beschreibt sie die wohlmöglich größte Herausforderung bei der Kombination von Kindern und Karriere: Das ewig schlechte Gewissen und die Opportunitätskosten, also der Preis, den wir zahlen, wenn wir uns für das eine und damit gegen das andere entscheiden. Geben wir unseren Job zugunsten der Kinder auf oder bekommen keine Kinder weil die Priorität auf der Karriere liegt, dann ist das keine leichte aber eine klare Entscheidung, die im besten Fall nicht im Stundentakt neu verhandeln werden muss. In der Kombination findet aber eben das statt: Ein ständiges neues Aushandeln.
Denn die allerwichtigste Erkenntnis für Kinder, Karriere oder für eine Kombination aus Kindern und Karriere ist, dass wir nur über eine begrenzte Menge an Ressourcen verfügen: Zeit, Kraft, Geld und Aufmerksamkeit sind knappe Güter in unseren Leben und in welcher Konstellation auch immer ist es entscheidend, sie so effektiv und effizient wie möglich einzusetzen um Ziele zu erreichen und Visionen zu verwirklichen. Diese Grundlektion jeder Ökonomie-Einführungsvorlesung ist so abgedroschen wie wahr. Um das Seelenheil zu erhalten bedarf es guter Planung und einer noch stärkeren Resilienzfähigkeit. Letzteres resultiert aber aus Ersterem, sprich, spontane Abweichungen sind leichter zu ertragen wenn alles andere gut vorbereitet ist.
Gute Planung stärkt das Seelenheil und die Resilienzfähigkeit
Während ich, wenn ich alleine reise einfach Unterwäsche, Zahnbürste und Creme sowie meine Airpods und ein Buch in eine Tasche werfe und los eile, durchforste ich in meinem Muttersein stundenlang den DB-Planer nach der besten Zugverbindung und den besten Sitzplätzen im Zug (zu prüfen ist: Wo befindet sich der Kinderwagenstellplatz, die Gepäckablage, ist in der Nähe das barrierefreie WC, weil dort meist der Wickeltisch ist, wenn es überhaupt einen gibt) und packe alles ein, was helfen könnte: Baumwolltücher, Lätzchen, Spielzeug, Essen, Essen, Essen, Trinken, Bücher, Kuscheldecken usw.
In den letzten zehn Jahren habe ich einige Dinge ausprobiert. Vieles ist aus der Lehre der Achtsamkeit inspiriert, bei der es vor allem darum geht, im Hier und Jetzt zu sein – und zwar nicht nur körperlich, sondern auch mental. Das ist für die meisten von uns nicht der Normalzustand, viel mehr hängen wir mit unseren Gedanken meist in der Vergangenheit fest, beschäftigen uns mit Sorgen oder denken über die Zukunft nach. Die Gleichzeitigkeit von Kindern und Karriere erfordert aber eben genau das: Eine ständige Geistesgegenwart, in der wir hellwach die gegenwärtige Verfassung unseres Selbst und unserer Umwelt wahrnehmen und darauf wertfrei eingehen können.
Hier folgen nun ein paar Inspirationen, die keinerlei Anspruch auf Perfektion erheben, deren Weglassen aber ziemlich sicher zu kleinen oder großen Katastrophen führt. Das ist doch auch schon mal was, oder?
Schritt für Schritt: Als ich beschloss, ein Master-Studium in Köln aufzunehmen (sieben Stunden Zugfahrt von Rostock), bei dem ich einmal im Monat für ein Wochenende anwesend sein musste, trainierte ich mir an, mich nicht zu fragen, wie ich das insgesamt 15 Mal schaffen sollte - sondern jedes einzelne Wochenende an sich zu betrachten und für jedes einzelne Wochenende eine einzelne Lösung zu finden.
Zeit nehmen: Mit den Jahren habe ich gelernt, dass wenn ich mir für eine Aufgabe Zeit nehme und sie gründlich und bewusst erledige, weniger Stress für mich entsteht und ich daraus fast eine kleine Achtsamkeitsübung machen kann. So kann Abendbrot machen zur Entspannung werden, wenn ich dabei meine liebste Musik höre, einen Tee oder ein Glas Wein trinke und zwischendurch aus dem Fenster schaue.
Pausen machen! Als junge Gründerin hielt ich es für selbstverständlich, abends bis in die Puppen und an den Wochenenden zu arbeiten und hielt diejenigen, die pünktlich Feierabend machten oder Feiertage einhielten für Poser:innen, die die Sache mit der Arbeit nicht ernst meinten. Nach einigen Jahren stellte ich allerdings fest, dass dadurch immer wieder unkontrollierte Tiefpunkte entstehen, in denen sich Kraftlosigkeit in mir ausbreitet, das Durcharbeiten nur über einen kurzen Zeitraum funktioniert. Und so hat es sich für mich als wesentlich sinnvoller erwiesen, immer nur kurze Einheiten am Stück durchzuziehen und dann Pausen einzulegen. Wenn es sich am Wochenende nicht ergibt, dann nach Möglichkeit am Anfang der Woche oder zumindest durch frühe Bettruhe (vor Mitternacht). Ohne Ruhe keine Kraft! (An dieser Stelle muss ich allerdings zugeben, dass dies die Erkenntnis ist, die mir vermutlich am schwersten gefallen ist, weil sie mir lange gewöhnlich und vielleicht sogar spießig vorkam. Eben was für Poser:innen ohne wilde Träume und große Visionen. Ein bisschen geht mir das auch heute immer noch so. Durcharbeiten klingt halt irgendwie sexy, Pausen machen not so much, but I try!)
Erstmal anfangen: Texte schreiben, Steuern machen, Kinderkleidung aussortieren sind Beispiele für Aktivitäten, die in unterschiedlichsten Reihenfolgen, wie in der Shuffle-Funktion bei Spotify ins Leben rauschen. Hier habe ich mir etwas einfaches und sehr effektives angewöhnt: Ich versuche diese Aufgaben möglichst unmittelbar anzufangen. Beim Text schreiben, erstmal ein paar Ideen hinkritzeln, beim Steuern machen zunächst alle Belege sortieren, beim Aussortieren schon mal grobe Haufen machen, was wird verschenkt, verkauft, behalten? So fällt es weniger schwer, in den nächsten Tagen die Aufgabe wieder anzugehen und fertig zu stellen. Nichts ist schlimmer als vor einem weißem Blatt Papier oder einem chaotischen Haufen Unterlagen und/oder Kinderkleidung zu sitzen.
Die Kinder gehen immer vor. Ich habe meine Kinder an die verschiedensten Orte mitgenommen. Auf Presse-Reisen nach Florenz, auf Panel-Bühnen, in die Uni mit nach Köln. Damit das klappt (und auch dies ist keine Garantie, manchmal gehts eben auch einfach nicht), ist es wichtig, immer genug Essen und Wasser dabei zu haben, sich Gedanken zu machen wie und wo Pausen für Regeneration eingelegt werden können und sich immer bewusst zu machen, dass wenn trotz aller Vorkehrungen die Kinder irgendwann nicht mehr wollen oder können, das exakt der Zeitpunkt ist um zu Gehen. Niemals, wirklich niemals, sollte man Nur-Noch-Fünf-Minuten-Debatten mit den Kindern anfangen, denn sie fühlen sich nicht mehr ernst genommen und stellen zurecht die Frage, warum sie sich dann überhaupt an Abmachungen halten sollten.
So viel wie möglich mit dem Fahrrad erledigen! Klingt banal, ist aber entscheidend, denn Bewegung tut dir und deinen Kindern gut, du ersparst dir den Stress in den öffentlichen Verkehrsmitteln oder im Stau und eigentlich alle Kinder, die ich kenne sitzen gerne hinten auf dem Fahrradsitz, im Lastenrad oder fahren selbst. Wenn ich zurückschaue und mich frage, wann ich die Nerven verloren oder mich klein und hilflos gefühlt habe, dann immer im Zusammenhang mit kaputten oder in verwinkelten Ecken versteckten Aufzügen an Haltestellen, oder im Bus, wenn mir hilfsbereite Fremde erklären wollten, dass mein weinendes Baby bestimmt einfach nur Hunger habe. AHH what, die müssen auch was essen? Thanks for nothing.
Um Hilfe bitten ist das A und O. Wir können nicht alles alleine schaffen und das müssen wir auch nicht. Wenn du Hilfe brauchst, dann frag einfach.
Die allerwichtigste Übung ist allerdings, und damit widerspreche ich meiner Teenie-Heldin Gwen Stefani: Die Zeiten nicht gegeneinander aufzuwiegen! Das bedeutet zum Beispiel, einen unproduktiven Tag auf der Arbeit nicht mit der verpassten Zeit mit den Kinder zu verhandeln. Das führt nur zu Druck und missachtet auch den wichtigsten Satz der Achtsamkeit, nämlich die Dinge um ihrer selbst willen zu tun anstatt auf das Ergebnis zu schauen. Die Herausforderung ist die ständige Geistesgegenwart, das wertfreie in Einklang bringen unseres Selbst und unserer Umwelt. Annehmen was ist und nicht ständig neu verhandeln.
Auch das klingt ein wenig spießig, aber glaub’ mir, es ist die Grundlage für ein lässiges, wildes Leben voller Abenteuer mit Kindern und Karriere.